Dienstag, 01. Februar 2022
 
+ Die unbekannten Verbrechen der Nazis: Zwangssterilisationen + Wie geht es der Düsseldorfer Tafel? + Gericht verhandelt über Hochwasserschutz +
 
  
Guten Morgen ,

die Wände liegen einander gegenüber und zeigen doch beide große Ungerechtigkeiten, die eng miteinander verbunden sind. An der einen Wand hängen Schautafeln, die dokumentieren, dass die Opfer von Zwangssterilisationen nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Dritten Reich keine Wiedergutmachung erhielten. Die Texte und Fotos an der anderen Wand zeigen, wie Täter in der Bundesrepublik Karriere machten. Als Chefarzt, als Amtsleiter – und als Träger des Bundesverdienstkreuzes. Mit diesen beiden Seiten endet die neue Ausstellung in der Mahn- und Gedenkstätte, die ab heute und bis Pfingsten an der Mühlenstraße 29 zu sehen ist. Sie heißt „zwangs sterilisiert. Eingriffe in die Menschenwürde in Düsseldorf 1934-1945“.
Normalerweise stellen wir neue Schauen in den Tipps in der zweiten Hälfte unseres Newsletters vor, diesmal möchte ich eine Ausnahme machen und sie Ihnen an dieser Stelle ausführlicher empfehlen. Die Ausstellung behandelt eines der weitgehend unbekannten Verbrechen der Nationalsozialisten. Vielleicht man hat mal gehört, dass Opfer der Gewaltherrschaft zwangsweise unfruchtbar gemacht wurden. Aber das klang nach Einzelfällen. Dass die Nazis systematisch und strukturell vorgingen und die Sterilisationen in großer Zahl betrieben, macht die Mahn- und Gedenkstätte nun deutlich. Und es gelingt ihr in der Schau, was sie auch in der Dauerausstellung auszeichnet: Sie führt den Besucher:innen vor Augen, dass es sich nicht um Taten in Berlin oder in Konzentrationslagern handelt, sondern um Verbrechen, deren Opfer Menschen waren, die in Düsseldorf lebten. Und dass sie an Orten geschahen, die wir alle kennen, etwa im Evangelischen Krankenhaus oder in der Flurklink.
Die Kuratoren, Hildegard Jakobs, Bastian Fleermann und Benedikt Mauer, haben bei ihrer Arbeit eine Menge An- und Abführungsstriche gebraucht. Sie erklären zu Beginn der Ausstellung, mit welchen Gesetzen und welchen immer willkürlicheren Interpretationen die Nazis die Zwangssterilisationen „erbkranker Menschen“ juristisch ermöglichten und wie die „Erbgesundheitsgerichte“ sie Tag für Tag umsetzten. Die Gerichte waren Ankläger und Gutachter in einem. Es galt nicht „Im Zweifel für den Angeklagten“, sondern „Im Zweifel lieber eine Sterilisation zu viel als zu wenig“.
Die Ausstellung erzählt die Geschichten der Opfer, zeigt die Täter und die Orte. Bei letzterem fällt auf: Es sind vor allem evangelische Krankenhäuser, in denen zwangssterilisiert wurde, mit offenkundiger Begeisterung für die damit verbundene Lehre von der „Rassenhygiene“. Katholische Einrichtungen waren nicht dabei. Ihre Vertreter:innen haben sich zwar an dem allgegenwärtigen Denunziantentum beteiligt, aber nicht an der Umsetzung.
In der Ausstellung sind die Namen der Oper anonymisiert, weil die Stigmatsierung auch heute noch wirkungsmächtig ist. Die Namen der Täter sind nicht anonymisiert. Eine kleine, aber trotzdem wichtige Form von Gerechtigkeit.

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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